Mittwoch, 20. Juni 2012

Antwort auf "Antwort auf Hiob" von C.G.Jung 3. Teil


Auf Jahwes Rede antwortet Hiob (XXXIX, 34):
Siehe, ich bin zu gering, was soll ich dir antworten?
Ich lege die Hand auf meinen Mund.
Einmal habe ich geredet und wiederhole es nicht,
Zweimal, und tue es nicht wieder.«

In der Tat, im unmittelbaren Anblick unendlicher Schöpferkraft ist dies für einen Zeugen, dem der Schreck beinahe völliger Vernichtung noch in allen Gliedern liegt, die einzig mögliche Antwort. Wie könnte ein im Staub kriechender, halbzertretener Menschenwurm unter den obwaltenden Umständen überhaupt vernünftigerweise anders antworten? Trotz seiner erbärmlichen Kleinheit und Schwäche weiß dieser Mensch, dass er einem übermenschlichen Wesen, das persönlich äußerst empfindlich ist, gegenübersteht und darum auf alle Fälle besser daran tut, sich aller kritischen Überlegungen zu enthalten, nicht zu sprechen von gewissen moralischen Ansprüchen, die man auch einem Gotte gegenüber glaubt haben zu dürfen.-- Jung geht von der Erfahrung Hiobs mit einem ihm tatsächlich gegenüberstehenden Gott aus. Tatsächlich spiegelt sich in dieser Geschichte die Entwicklung des Monotheismus wieder. Natürlich konnten die damaligen Gottesvorstellung noch nicht die heutige Ausformung gehabt haben, da die Menschen noch nicht allzulange Zeit vorher einen doch sehr anthropomorphen Polytheismus verlassen hatten. Das bedeutet nichts anderes, als dass Gott alle Züge eines übermächtigen Tyrannen hatte und damit sein Verhalten die damals wohl vorherrschende Form des Umgangs von Fürsten mit einfachen Untertanen war.--
Jahwes Gerechtigkeit wird gepriesen. Vor ihn, als dem gerechten Richter, könnte Hiob seine Klage und die Beteuerung seiner Unschuld wohl vorbringen. Aber er zweifelt an dieser Möglichkeit: »Wie kann ein Mensch Recht haben vor Gott?« »Wollte ich ihn vor Gericht ziehen, er stünde nicht Rede. « »Gibt es das Recht; wer will ihn vorladen?« Ohne Grund schlägt er ihm »viele Wunden«. »Schuldlose wie Unschuldige vernichtet er! Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so lacht er der Verzweiflung der Unschuldigen.« »Ich weiß«, spricht Hiob zu Jahwe, »dass du mich nicht ledig sprichst. Ich soll ja (nun einmal) schuldig sein.« Wenn er sich schon reinigte, so würde Jahwe ihn »in Unrat tauchen«. »Er ist nicht ein Mensch, wie ich, dass ich ihm erwiderte, dass wir zusammen vor Gericht gingen.« Hiob will aber seinen Standpunkt vor Jahwe erklären, seine Klage erheben und sagt ihm, er wisse ja, dass er, Hiob, unschuldig sei, und dass ihn »niemand aus seiner Hand errettete«. Es »gelüstet« ihn, »mit Gott zu rechten«. Er will ihm »seine Wege ins Angesicht dartun«. Er weiß, dass er »im Rechte“ ist. Jahwe sollte ihn vorladen und ihm Rede stehen oder ihn wenigstens seine Klage vorbringen lassen. In richtiger Einschätzung des Missverhältnisses zwischen Gott und Mensch stellt er ihm die Frage: »Willst du ein verwehtes Blatt erschrecken und einen dürren Halm verfolgen?« Gott hat sein »Recht gebeugt«. Er hat ihm sein »Recht genommen«. Er »achtet nicht des Unrechtes«. »Bis ich verscheide, beharre ich auf meiner Unschuld, an meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht.« Sein Freund Elihu glaubt nicht an die Ungerechtigkeit Jahwes: »Gott tut nicht Unrecht und nicht verdreht der Allmächtige das Recht«, und begründet diese Ansicht unlogischerweise mit dem Hinweise auf die Macht: man wird zum König auch nicht sagen: »Du Nichtswürdiger« und »Du Gottloser« zu den Edlen. Man müsse »die Person der Fürsten ansehen« und »des Hohen mehr achten als des Niederen«. Aber Hiob lässt sich nicht erschüttern und spricht ein bedeutendes Wort: »Schon jetzt, siehe, lebt im Himmel mir ein Zeuge, mir ein Mitwisser in der Höhe ...zu Gott blickt tränend auf mein Auge, dass er Recht schaffe dem Manne gegen Gott«, und an anderer Stelle: »Ich aber weiß: mein Anwalt lebt, und ein Vertreter ersteht (mir) über dem Staube.« Aus den Worten Hiobs geht deutlich hervor, dass er, trotz seinem Zweifel, ob ein Mensch vor Gott Recht haben könne, nur schwer von dem Gedanken lasse; kann, auf dem Boden des Rechtes, und damit der Moral, Gott gegenüberzutreten. Das Wissen, dass göttliche Willkür das Recht beugt, fällt ihm nicht leicht, denn er kann trotz allem seinen Glauben an die göttliche Gerechtigkeit nicht aufgeben. -- Das Buch Hiob wirft in vergleichbarer Form die Frage der Gerechtigkeit Gottes auf wie mehr als 2000 Jahre später das Erdbeben von Lissabon. Die Annahme einer Gerechtigkeit Gottes, der gute Taten belohnt und schlechte Taten bestraft ist eine menschliche Vorstellung. Hinzu kommt die wohl übliche Erfahrung jener Zeit, dass Herrscher absolute Herrscher waren und die Interpretation des Rechts ausschließlich von der jeweiligen Verfasstheit des Herrschers abhingen. -- Aber andererseits muss er sich gestehen, dass niemand anders ihm Unrecht und Gewalt antut, als eben Jahwe selber. Er kann nicht leugnen, dass er sich einem Gotte gegenüber befindet, der sich um kein moralisches Urteil kümmert, bzw. keine für sich verbindliche Ethik anerkennt. Das ist wohl das Größte in Hiob, dass er angesichts dieser Schwierigkeit nicht an der Einheit Gottes irre wird, sondern klar sieht, dass Gott sich in Widerspruch mit sich selber befindet und zwar dermaßen total, dass er, Hiob, gewiss ist, in Gott einen Helfer und Anwalt gegen Gott zu finden. So gewiss ihm das Böse, so gewiss ist ihm auch das Gute in Jahwe. In einem Menschen, der uns Böses antut, können wir nicht zugleich den Helfer erwarten. Jahwe aber ist kein Mensch; Er ist beides, Verfolger und Helfer in Einem, wobei der eine Aspekt so wirklich ist wie der andere. Jahwe ist nicht gespalten, sondern eine Antinomie, eine totale innere Gegensätzlichkeit, die unerlässliche Voraussetzung seiner ungeheueren Dynamik, seiner Allmacht und Allwissenheit. Aus dieser Erkenntnis heraus hält Hiob daran fest, ihm »seine Wege darzutun«, d. h. ihm seinen Standpunkt klar zu machen, denn ungeachtet seines Zornes ist er sich selber gegenüber auch der Anwalt des Menschen, der eine Klage vorzubringen hat.
-- In vorangehenden Absatz spiegelt sich das Grundproblem aller großen monotheistischen Religionen, die eine Allmacht ihres Gottes und dessen Gerechtigkeit annehmen: Die Wirklichkeit der Erfahrung widerspricht dem nicht nur im Fall Hiob sondern auch im Überleben des Freudenhauses beim Beben von Lissabon bei gleichzeitiger Zerstörung der Kathedrale und auch bei zahllosen viel weniger dramatischen Ereignissen, die Menschen widerfahren. Der Autor (oder die Autoren) des Buches Hiob mussten an der Beständigkeit von Hiobs Glauben und der ihm letztlich widerfahrenen Gerechtigkeit festhalten, da sie sich in der Anfangszeit ihres Monotheismus befanden, der einer Umwelt mit beliebigen Göttern gegenüberstand, die wie die Menschen beliebig gegeneinander kämpften und die Frage nach einer allgemeinen Gerechtigkeit nie stellten. Alles unterlag nur der Beliebigkeit von Interessen, etwas, das ja nach wie vor die gesamte Menschheit prägt, völlig unabhängig von religiösen Bekenntnissen.
Das eigentliche Problem dieser Widersprüchlichkeit sind die menschlichen Vorstellungen. Die Menschen nehmen in Anspruch, etwas besonderes zu sein bis dahin, außerhalb der Naturgesetze zu stehen. Naturgesetze kennen weder gut noch schlecht. Sie sind so, wie sie sind. Alles was wir Wohlergehen oder Katastrophe nennen, sind menschliche Kategorien und Wertungen. Die zugrunde liegenden Ereignisse sind einfach so, wie sie sind und waren auch schon so, bevor es Menschen gab. So schwer es auch bei persönlicher Betroffenheit (auch mir) fällt, diese Ereignisse einfach anzunehmen, sie sind nicht wegen mir oder eines anderen so, wie sie sind. Ich bin nur zufällig da bei diesen Ereignissen und darum ist Wohlergehen niemals ein Verdienst und Leiden niemals eine Strafe. Der Buddhismus sagt, das alles Festhalten-Wollen Leiden erzeugt und da ist, auch völlig ohne Religion was dran. Den Vorstellungen und Bewertungen sind sehr oft eine Form des Festhaltens, denn durchaus verständlicherweise wollen Menschen nur, dass es ihnen wohl ergeht, da dies ja der angenehmere Zustand ist. --
Man könnte über die Gotteserkenntnis Hiobs noch mehr erstaunt sein, wenn man von der Amoralität Jahwes hier zum ersten Male vernähme. Die unberechenbaren Launen und verheerenden Zornanfälle Jahwes waren aber seit alters bekannt. -- Weil Jahwe im Buch Hiob, so wie alle Religionen der damaligen Zeit sehr genau die Verfasstheit eben dieser Zeit widerspiegelt, d.h. Er kann gar nicht anders sein als alle anderen Vorstellungen seiner Zeit. -- Er erwies sich als eifersüchtiger Hüter der Moral; insbesondere war er empfindlich in Bezug auf Gerechtigkeit. Er musste daher stets als »gerecht« gepriesen werden, woran, wie es scheint, ihm nicht wenig lag. Dank diesem Umstand, bzw. dieser Eigenart, hatte er distinkte Persönlichkeit, die sich von der eines mehr oder weniger archaischen Königs nur durch den Umfang unterschied. Sein eifersüchtiges und empfindliches Wesen, das misstrauisch die treulosen Herzen der Menschen und ihre heimlichen Gedanken durchforschte, erzwang ein persönliches Verhältnis zwischen ihm und dem Menschen, der nicht anders konnte, als sich persönlich von ihm angerufen zu fühlen. Das unterschied Jahwe wesentlich vom allwaltenden Vater Zeus, der wohlwollend und etwas detachiert die Ökonomie der Welt auf altgeheiligten Bahnen abrollen ließ und nur das Unordentliche bestrafte. Er moralisierte nicht, sondern waltete instinkthaft. Von den Menschen wollte er nichts, als die ihm gebührenden Opfer; mit ihnen wollte er schon gar nichts, denn er hatte keine Pläne mit ihnen. Vater Zeus ist zwar eine Gestalt, aber keine Persönlichkeit. Jahwe dagegen lag es an den Menschen. Sie waren ihm sogar ein Anliegen erster Ordnung. Er brauchte sie, wie sie ihn brauchten, dringlich und persönlich. Zeus konnte zwar auch Donnerkeile schmettern, aber nur auf einzelne unordentliche Frevler. Gegen die Menschheit im Ganzen hatte er nichts einzuwenden. Sie interessierte ihn auch nicht besonders. Jahwe dagegen konnte sich maßlos über die Menschen als Genus und als Individuum aufregen, wenn sie sich nicht so benahmen, wie er wünschte und erwartete, ohne sich dabei allerdings je Rechenschaft darüber zu geben, dass es ja in seiner Allmacht gelegen hätte, etwas besseres zu erschaffen, als diese »irden schlechten Töpfe«.
Bei dieser intensiven persönlichen Bezogenheit auf sein Volk konnte es nicht ausbleiben, dass sich daraus ein eigentlicher Bund entwickelte, der sich auch auf einzelne Personen bezog, so z. B. auf David. Wie der 89ste Psalm berichtet, sagte Jahwe zu David:
»....Meine Treue will ich nicht brechen. Ich will meinen Bund nicht entweihen, Und was meine Lippen gesprochen, nicht ändern. Das eine habe ich bei meiner Heiligkeit geschworen - Nie werde ich David belügen......«
Und dann ist es doch geschehen, dass er, der so eifersüchtig über Gesetzes- und Vertragserfüllung wachte, seinen Schwur brach. Dem empfindsamen modernen Menschen wäre der schwarze Abgrund der Welt aufgerissen, der Boden wäre unter seinen Füßen gewichen, denn das, was er von seinem Gott zumindest erwarten würde, wäre, dass er dem Sterblichen in jeglicher Hinsicht überlegen sei, und zwar im Sinne des Besseren, Höheren, Edleren, aber nicht in der Hinsicht moralischer Beweglichkeit und Unzuverlässigkeit, die selbst einen Meineid in Kauf nimmt.
Man darf natürlich einen archaischen Gott nicht mit den Bedürfnissen moderner Ethik konfrontieren. -- Man darf die archaische Vorstellungswelt von Jahwe nicht mit der Vorstellungswelt moderner Ethik konfrontieren. Auch wenn Jung in einem Interview sagte, es wisse, das es Gott gibt, so ist es doch so, dass er nur weiß, dass es sein Bild von Gott gibt. -- Für den Menschen des frühen Altertums lag die Sache etwas anders: an seinen Göttern blühte und strotzte schlechthin alles, Tugenden und Laster. Man konnte sie daher auch bestrafen, anbinden, betrügen, sie aufeinander hetzen, ohne dass sie an Prestige einbüßten - wenigstens nicht auf lange Sicht hinaus. Der Mensch jener Aeone war an die göttlichen Inkonsequenzen so gewöhnt, dass, wenn sie passierten, sie ihn nicht über Gebühr erschütterten. Bei Jahwe lag der Fall allerdings insofern etwas anders, als in der religiösen Beziehung schon sehr früh der Faktor der persönlich-moralischen Bindung eine bedeutende Rolle spielte. Unter diesen Umständen musste ein Vertragsbruch nicht nur persönlich, sondern auch moralisch verletzend wirken. Ersteres ersieht man aus der Art und Weise, wie David antwortet. Er sagt (89, 47):
»Wie lange, o Herr, willst du dich noch verbergen,
Deinen Grimm lodern lassen wie Feuer?
Bedenke, o Herr: Was ist doch das Leben!
Wie nichtig alle Menschenkinder, die du geschaffen!
-
Wo sind deine früheren Gnadenbeweise, o Herr,
Wie du sie David geschworen bei deiner Treue?«
Wäre dies zu einem Menschen gesprochen, so würde es etwa lauten: »So nimm dich doch endlich zusammen, und höre auf mit deiner sinnlosen Wüterei. Es ist doch wirklich zu grotesk, wenn jemand wie du über die Pflänzchen, die nicht ohne deine Schuld nicht recht gedeihen wollen, sich in solchem Maße aufregt. Du konntest doch früher auch vernünftig sein und das Gärtlein, das du gepflanzt, richtig besorgen, statt es zu zertrampeln.«
Der Interlocutor kann es allerdings nicht wagen, mit dem allmächtigen Partner wegen des Vertragsbruches zu rechten. Er weiß, was er zu hören bekäme, wenn er der bedauernswerte Rechtsbrecher wäre. Er muss sich, weil es sonst lebensgefährlich für ihn würde, auf das höhere Niveau der Vernunft zurückziehen und erweist sich damit, ohne es zu wissen und zu wollen, als dem göttlichen Partner in intellektueller sowohl als moralischer Hinsicht leise überlegen. Jahwe merkt es nicht, dass er »behandelt« wird, so wenig wie er versteht, warum er anhaltend als gerecht gepriesen werden muss. Er hat einen dringlichen Anspruch an sein Volk, in allen möglichen Formen "gepriesen"(oder gar "gesegnet" zu werden, was erst recht verfänglich ist) und propitiiert zu werden, mit dem offensichtlichen Zweck, ihn um jeden Preis bei Laune zu erhalten.
Der hieraus sichtbar werdende Charakter passt zu einer Persönlichkeit, die nur vermöge eines Objektes sich ein Gefühl eigener Existenz verschaffen kann. Die Abhängigkeit vom Objekt ist absolut, wenn das Subjekt keinerlei Selbst-Reflexion und damit auch keine Einsicht in sich selbst besitzt. Es hat den Anschein, als ob es nur vermöge des Umstandes existiere, dass es ein Objekt hat, welches dem Subjekt versichert, es sei vorhanden. Wenn Jahwe, wie man wenigstens von einem einsichtigen Menschen erwarten dürfte, wirklich seiner selbst bewusst wäre, so hätte er, in Anbetracht der wirklichen Sachlage, den Lobpreisungen seiner Gerechtigkeit wenigstens Einhalt tun müssen. Er ist aber zu unbewusst, um »moralisch« zu sein. Moralität setzt Bewusstsein voraus. Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, dass Jahwe etwa unvollkommen oder böse sei wie ein gnostischer Demiurg. Er ist jede Eigenschaft in ihrer Totalität, also u. a. die Gerechtigkeit schlechthin, aber auch das Gegenteil, und dies ebenso vollständig. So wenigstens muss er gedacht werden, wenn man sich ein einheitliches Bild seines Wesens machen will. -- Hier verwendet Jung zum ersten Mal den Ausdruck des Bildes von Jahwe. Ich habe den Eindruck, dass er bezueglich Jahwe in einem Ausmaß anthropomorphisiert, das sein sonstiges Bilder-Denken noch weit übersteigt. Aber offenbar bewertete Jung (wie Freud auch) von einer sehr elitären Position aus die Welt und ihre Vorgänge. -- Wir müssen uns dabei nur bewusst bleiben, dass wir damit nicht mehr als ein anthropomorphes Bild entworfen haben, welches nicht einmal besonders anschaulich ist. Die Äußerungsweise des göttlichen Wesens lässt erkennen, dass die einzelnen Eigenschaften ungenügend aufeinander bezogen sind, so dass sie ineinander widersprechende Akte zerfallen. So z. B. reut es Jahwe, Menschen gemacht zu haben, wo doch seine Allwissenheit von Anfang an genau im Bilde darüber war, was mit solchen Menschen geschehen wird.
Hier an dieser Stelle ist mir natürlich klar, das Jung diesen Jahwe für wirklich hält und natürlich ist er für ihn wirklich, weil diese Wirklichkeit von ihm so erfahren wird. Dies ist darum auch so stehen zu lassen. Doch für mich gibt es eine andere Erfahrung von Wirklichkeit, von der ich nur weiß, dass sie sehr viele Randbedingungen hat, die ich nicht verändern kann. Ich nehme diese Randbedingungen an, so wie dies ganz offenbar auch Jung getan hat. Ich weiß nur, dass dies eine mir zugekommene Wirklichkeit ist und dass die anderer Menschen anders ist. Ich bin nur nicht bereit, den Anspruch, den Jung auch bei vielen anderen Gelegenheiten gestellt hat zu akzeptieren, nämlich dass dies alles wahr ist im allgemeinen Sinne und dass er der Garant dafür sei. Auch wenn es viele Menschen gegeben hat, die diesen Anspruch akzeptierten, so tue ich dies nicht. Dies alles ist ausschließlich seine Wahrheit, völlig ungeachtet der Tatsache, dass er natürlich außerordentlich intelligent und auch außerordentlich belesen war. Er hat nur meines Erachtens einen ganz wesentlichen Aspekt des Wissens nie realisieren können, nämlich das jede Zunahme an Wissen auch gleichbedeutend ist mit einer ungleich größeren Zunahme auch des Wissens um die Lücken in diesem Wissen und der Unmöglichkeit, diese schließen zu können. Vielleicht ist das die in allen Religionen vorkommende Verblendung: Ein rationalisiertes Gebäude von Wirklichkeit, das einzig nur dazu dient, der für die Ratio bedrückenden Ohnmacht des Nichtwissens zu entkommen. Es gibt natürlich auch die andere Möglichkeit, die eigene Begrenztheit anzunehmen und ganz schlichtweg bescheiden zu werden. Das ist aber überhaupt nichts besonderes und führt auch nicht zu Ruhm und Ansehen.
Eigentlich müsste ich an dieser Stelle meine Kommentare aufhören. Ich meine aber, dass es diese Schrift verdient, sich weiter mit ihr auseinanderzusetzen.

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