Kurz nach dem Interview
mit Prof. Williams hatte ich spät nachts noch ein Gespräch mit
meiner älteren Tochter, dessen Anstoß dieses Interview und auch
ihre eigene Arbeit in einer katholischen Pfarre war (sie ist
Theologin). Irgendwann während des Gesprächs fragte sie mich, woran
ich eigentlich glaube. Ich bin eigentlich über eine derartige Frage
nicht verlegen, da ich im christlichen Sinne ein Ungläubiger bin.
Trotz des nachfolgenden für mich sehr offenen und sehr positiven
Gesprächs hat mich die Frage noch weiter beschäftigt, da ich sie
mir in dieser Direktheit niemals gestellt habe.
Woran glaube ich
eigentlich?
Ich muss bekennen, dass
ich diese Frage im direkten Sinn und in einem religiösen Kontext
nicht beantworten kann und auch zutiefst überzeugt bin, dass dies
für mein Leben nicht notwendig ist. Wozu soll ich mir Bilder eines
christlichen Gottes machen oder von mir aus auch Bilder von Buddha
oder Allah oder sonst irgend etwas? Was sollte dies an meinem Leben
oder auch an meinem sicheren Sterben, von dem ich nur nicht weiß,
wann es stattfinden wird, verändern?
Und dennoch nehme ich für
mich in Anspruch, ein religiöser Mensch zu sein!
Denn Religiosität hat
aus meiner Warte überhaupt nichts mit überwältigenden Gottheiten
oder Kräften außerhalb meiner selbst und dieser von mir erfahrbaren
Welt zu tun. Dass meine Unwissenheit über diese Welt und deren
Zusammenhänge stets unendlich größer sein wird als mein Wissen
darüber, macht mich zwar (hoffentlich) bescheiden, ja auch demütig
und dankbar für das von mir erfahrene Gute und den mir unendlich
geschenkten Reichtum, wie ich es empfinde. Aber ist es denn
notwendig, dies einer höheren und gerechteren Macht zuzuschreiben?
Macht es mich besser oder schlechter oder genauer, benötige ich es,
um besser oder schlechter zu sein? Ich möchte es noch schärfer
formulieren: Kann ich nur gut oder schlecht sein, wenn es dafür
Belohnung oder Strafe gibt?
Ich möchte diese Worte
aber nicht als Missachtung der Religionen verstanden wissen. Ich habe
schon sehr viele Texte der verschiedensten Religionen gelesen und
darin sehr viel Anregendes und aus meiner Warte auch sehr viel Wichtiges
gefunden. Und ich möchte das so Gelesene und auch Erfahrene nicht
missen. Ich habe aber in solchen Texten auch sehr viel Nutzloses, ja
Schädliches gefunden und zwar vor allem dann, wenn es um den alleinigen
Wahrheitsanspruch geht, der immer ein Wahrheitsanspruch von Menschen
war und ist, der allzu oft, ich würde sogar sagen immer, aus einem
Macht- oder Hoheitsanspruch von Menschen über Menschen resultierte.
Worin besteht nun diese
meine Religiosität? Sie besteht darin, dass ich unendlich dankbar
für all das mir zugekommene Gute bin, da ich weiß, dass nur wenig davon aus meinem Verdienst resultiert. Diese Dankbarkeit ist
für mich kein Abstraktum. Ich erlebe sie bei den ganz gewöhnlichen
Dingen und Ereignissen meines Lebens und sie macht mich frei. Und ich bin auch für diese
Dankbarkeit dankbar. Meine Leben ist dadurch rund und ganz. Dafür
brauche ich keine Bilder von höheren Wesen und steuernden
Allwissern.
Ich möchte aber auch
dazu sagen, dass mein Leben nicht nur aus purem Wohlgefühl und
"himmelhoch jauchzendem Schweben" über dem Boden besteht.
Wie in diesem Blog angedeutet, enthält es auch Leiden und
Verzweiflung. Auch dies ist Teil nicht nur meines Lebens. Auch dafür
bin ich dankbar. Es bewahrt mich vor dem Anspruch auf
uneingeschränkte Machbarkeit und Steuerbarkeit aller Dinge meines
Leben und der Selbstlüge uneingeschränkter Tüchtigkeit.
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