Dienstag, 5. Juni 2012

Jetzt muss ich noch mehr quaseln. 5. Juni 2012


Kurz nach dem Interview mit Prof. Williams hatte ich spät nachts noch ein Gespräch mit meiner älteren Tochter, dessen Anstoß dieses Interview und auch ihre eigene Arbeit in einer katholischen Pfarre war (sie ist Theologin). Irgendwann während des Gesprächs fragte sie mich, woran ich eigentlich glaube. Ich bin eigentlich über eine derartige Frage nicht verlegen, da ich im christlichen Sinne ein Ungläubiger bin. Trotz des nachfolgenden für mich sehr offenen und sehr positiven Gesprächs hat mich die Frage noch weiter beschäftigt, da ich sie mir in dieser Direktheit niemals gestellt habe.


Woran glaube ich eigentlich?

Ich muss bekennen, dass ich diese Frage im direkten Sinn und in einem religiösen Kontext nicht beantworten kann und auch zutiefst überzeugt bin, dass dies für mein Leben nicht notwendig ist. Wozu soll ich mir Bilder eines christlichen Gottes machen oder von mir aus auch Bilder von Buddha oder Allah oder sonst irgend etwas? Was sollte dies an meinem Leben oder auch an meinem sicheren Sterben, von dem ich nur nicht weiß, wann es stattfinden wird, verändern?

Und dennoch nehme ich für mich in Anspruch, ein religiöser Mensch zu sein!
Denn Religiosität hat aus meiner Warte überhaupt nichts mit überwältigenden Gottheiten oder Kräften außerhalb meiner selbst und dieser von mir erfahrbaren Welt zu tun. Dass meine Unwissenheit über diese Welt und deren Zusammenhänge stets unendlich größer sein wird als mein Wissen darüber, macht mich zwar (hoffentlich) bescheiden, ja auch demütig und dankbar für das von mir erfahrene Gute und den mir unendlich geschenkten Reichtum, wie ich es empfinde. Aber ist es denn notwendig, dies einer höheren und gerechteren Macht zuzuschreiben? Macht es mich besser oder schlechter oder genauer, benötige ich es, um besser oder schlechter zu sein? Ich möchte es noch schärfer formulieren: Kann ich nur gut oder schlecht sein, wenn es dafür Belohnung oder Strafe gibt?

Ich möchte diese Worte aber nicht als Missachtung der Religionen verstanden wissen. Ich habe schon sehr viele Texte der verschiedensten Religionen gelesen und darin sehr viel Anregendes und aus meiner Warte auch sehr viel Wichtiges gefunden. Und ich möchte das so Gelesene und auch Erfahrene nicht missen. Ich habe aber in solchen Texten auch sehr viel Nutzloses, ja Schädliches gefunden und zwar vor allem dann, wenn es um den alleinigen Wahrheitsanspruch geht, der immer ein Wahrheitsanspruch von Menschen war und ist, der allzu oft, ich würde sogar sagen immer, aus einem Macht- oder Hoheitsanspruch von Menschen über Menschen resultierte. 

Worin besteht nun diese meine Religiosität? Sie besteht darin, dass ich unendlich dankbar für all das mir zugekommene Gute bin, da ich weiß, dass nur wenig davon aus meinem Verdienst resultiert. Diese Dankbarkeit ist für mich kein Abstraktum. Ich erlebe sie bei den ganz gewöhnlichen Dingen und Ereignissen meines Lebens und sie macht mich frei. Und ich bin auch für diese Dankbarkeit dankbar. Meine Leben ist dadurch rund und ganz. Dafür brauche ich keine Bilder von höheren Wesen und steuernden Allwissern.
Ich möchte aber auch dazu sagen, dass mein Leben nicht nur aus purem Wohlgefühl und "himmelhoch jauchzendem Schweben" über dem Boden besteht. Wie in diesem Blog angedeutet, enthält es auch Leiden und Verzweiflung. Auch dies ist Teil nicht nur meines Lebens. Auch dafür bin ich dankbar. Es bewahrt mich vor dem Anspruch auf uneingeschränkte Machbarkeit und Steuerbarkeit aller Dinge meines Leben und der Selbstlüge uneingeschränkter Tüchtigkeit.

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