Das Buch Hiob ist ein
Markstein auf dem langen Entwicklungswege eines göttlichen Dramas.
Als das Buch entstand, lagen schon vielerlei Zeugnisse vor, welche
ein widerspruchsvolles Bild Jahwes entworfen hatten, nämlich das
Bild eines Gottes, der maßlos war in seinen Emotionen und an eben
dieser Maßlosigkeit litt. Er gab es sich selber zu, dass ihn Zorn
und Eifersucht verzehrten und dass ihm dieses Wissen leidvoll war.
Einsicht bestand neben Einsichtslosigkeit, wie Güte neben
Grausamkeit und wie Schöpferkraft neben Zerstörungswillen. Es war
alles da, und keines hinderte das andere. Ein derartiger Zustand ist
uns nur denkbar, wenn entweder kein reflektierendes Bewusstsein
vorhanden ist, oder wenn die Reflexion ein bloß ohnmächtig
Gegebenes und Mitvorkommendes darstellt. Ein Zustand, der
solchermaßen beschaffen ist, kann nur als amoralisch bezeichnet
werden. – Warum akzeptiert Jung das nicht
als Entwicklungsstadium der Menschen in jener geographischen Gegend,
mit dem natürlich auch der Entwicklungsstand des oder der
Gottesbilder korrespondiert?
Wie die Menschen des
Alten Testamentes ihren Gott empfanden, davon wissen wir durch die
Zeugnisse der Hl. Schrift. Doch nicht darum soll es sich hier
handeln, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie ein christlich
erzogener und gebildeter Mensch unserer Tage sich mit den göttlichen
Finsternissen, die sich im Hiobbuch enthüllen, auseinandersetzt,
bzw. wie diese auf ihn wirken. Es soll keine kühl abwägende, jeder
Einzelheit gerecht werdende Exegese gegeben, sondern eine subjektive
Reaktion dargestellt werden. Damit soll eine Stimme laut werden, die
für Viele, welche Ähnliches empfinden, spricht, und es soll eine
Erschütterung zum Worte kommen, welche von dem durch nichts
verschleierten Anblick göttlicher Wildheit und Ruchlosigkeit
ausgelöst wird. Auch wenn wir um den Zwiespalt und das Leiden in der
Gottheit wissen, so sind sie doch dermaßen unreflektiert und daher
moralisch unwirksam, dass sie kein verständnisvolles Mitgefühl,
sondern einen ebenso unreflektierten wie nachhaltigen Affekt erregen,
welcher einer Wunde gleichkommt, die nur langsam heilt. Wie die Wunde
der verletzenden Waffe entspricht, so der Affekt der verursachenden
Gewalttat. -- Wieder: warum Gottheit? Jung
kennt selbst als erwachsener und reifer Mensch die Zeit des 2.
Weltkrieges sowie die Nazizeit und all der damit verbundenen Gräuel
aus eigener Anschauung. Und er war zumindest eine kurze Zeitspanne
selbst ein Verführter. Gerade er als Psychiater in seiner Kenntnis
der möglichen Verwirrungen der menschlichen Seele müsste ungeachtet
aller Betroffenheit durch die Geschichte von Hiob sich dessen bewusst
sein, dass Hiob versucht, einem Gottesbild und nicht einer real
existierenden Gottheit gerecht zu werden. Und dieses Gottesbild
reflektiert sehr genau den für Hiob und seinesgleichen bestehenden
Entwicklungszustand. Zugleich weist Hiob selbst in dieser Geschichte
darüber hinaus und ermöglicht durch seine Haltung eine
Weiterentwicklung sowohl dieses Gottesbildes als auch der dieses
verehrenden Menschen, was letztlich im modernen Monotheismus heutiger
Tage mündet. Ungeachtet dessen haben christliche Priester unseres
Kulturkreises vor noch nicht allzu langer Zeit Waffen gesegnet und
sind muslimische wie jüdische Fundamentalisten auch heute noch
überzeugt, den jeweils anderen aus religiösen Gründen vernichten
zu müssen. Das hat überhaupt nichts mit einer Entwicklung von Jahwe
zu tun.--
Das Buch Hiob spielt nur
die Rolle eines Paradigmas für die Art und Weise eines
Gotteserlebnisses, das für unsere Zeit eine ganz besondere Bedeutung
besitzt. Derartige Erfahrungen befallen den Menschen sowohl von innen
wie von außen, und es hat keinen Zweck, sie rational umzudeuten und
damit apotropaeisch (Anmerk,: magische Eigenschaft von Gesten, Dingen
oder speziellen Zeichen zur Abwehr von Schaden) abzuschwächen. Man
gibt sich besser den Affekt zu und unterwirft sich seiner Gewalt, als
dass man sich seiner durch allerhand intellektuelle Operationen oder
durch gefühlsmäßige Fluchtbewegungen entledigt. Obschon man durch
den Affekt alle schlechten Eigenschaften der Gewalttat nachahmt und
sich dadurch desselben Fehlers schuldig macht, so ist dies doch eben
gerade der Zweck solchen Geschehens: es soll in den Menschen
eindringen, und er soll dieser Wirkung unterliegen. Er muss daher
affiziert sein, denn sonst hat die Wirkung ihn nicht erreicht. Er
soll aber wissen oder vielmehr kennenlernen, was ihn affiziert hat,
denn damit wandelt er die Blindheit der Gewalt einerseits und des
Affektes andererseits in Erkenntnis. -- Dies
klingt nach Erkenntnismöglichkeit ausschließlich auf Basis eines
Gottesbildes und ist zu verneinen. Und ich rede nicht von rationalem
Abwägen, sondern tatsächlich von Erkennen im Sinne von Wahrnehmen,
das letztlich den ganzen Menschen verändert. Solches Erkennen ist
nur möglich unter Hintanstellung aller
Gottesbilder und ist doch
eine zutiefst persönliche Erfahrung, die niemals Allgemeincharakter
beanspruchen kann und schon gar kein Beweis für irgend einen Gott
ist. Sie wurde aber von allen Menschen zu allen Zeiten mit der je
eigenen Gottesvorstellung in Verbindung gebracht und ist darum in
allen Religionen präsent.
Aus diesem Grunde werde
ich im Folgenden ungescheut und rücksichtslos dem Affekte das Wort
lassen und auf Ungerechtigkeit Ungerechtes antworten, damit ich
verstehen lerne, warum oder wozu Hiob verwundet wurde, und welche
Folgen aus diesem Geschehnis für Jahwe sowohl wie für den Menschen
erwachsen sind.
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