Dienstag, 19. Juni 2012

Antwort auf "Antwort auf Hiob" von C.G.Jung 2. Teil


ANTWORT AUF HIOB
Das Buch Hiob ist ein Markstein auf dem langen Entwicklungswege eines göttlichen Dramas. Als das Buch entstand, lagen schon vielerlei Zeugnisse vor, welche ein widerspruchsvolles Bild Jahwes entworfen hatten, nämlich das Bild eines Gottes, der maßlos war in seinen Emotionen und an eben dieser Maßlosigkeit litt. Er gab es sich selber zu, dass ihn Zorn und Eifersucht verzehrten und dass ihm dieses Wissen leidvoll war. Einsicht bestand neben Einsichtslosigkeit, wie Güte neben Grausamkeit und wie Schöpferkraft neben Zerstörungswillen. Es war alles da, und keines hinderte das andere. Ein derartiger Zustand ist uns nur denkbar, wenn entweder kein reflektierendes Bewusstsein vorhanden ist, oder wenn die Reflexion ein bloß ohnmächtig Gegebenes und Mitvorkommendes darstellt. Ein Zustand, der solchermaßen beschaffen ist, kann nur als amoralisch bezeichnet werden. – Warum akzeptiert Jung das nicht als Entwicklungsstadium der Menschen in jener geographischen Gegend, mit dem natürlich auch der Entwicklungsstand des oder der Gottesbilder korrespondiert? 
Wie die Menschen des Alten Testamentes ihren Gott empfanden, davon wissen wir durch die Zeugnisse der Hl. Schrift. Doch nicht darum soll es sich hier handeln, sondern vielmehr um die Art und Weise, wie ein christlich erzogener und gebildeter Mensch unserer Tage sich mit den göttlichen Finsternissen, die sich im Hiobbuch enthüllen, auseinandersetzt, bzw. wie diese auf ihn wirken. Es soll keine kühl abwägende, jeder Einzelheit gerecht werdende Exegese gegeben, sondern eine subjektive Reaktion dargestellt werden. Damit soll eine Stimme laut werden, die für Viele, welche Ähnliches empfinden, spricht, und es soll eine Erschütterung zum Worte kommen, welche von dem durch nichts verschleierten Anblick göttlicher Wildheit und Ruchlosigkeit ausgelöst wird. Auch wenn wir um den Zwiespalt und das Leiden in der Gottheit wissen, so sind sie doch dermaßen unreflektiert und daher moralisch unwirksam, dass sie kein verständnisvolles Mitgefühl, sondern einen ebenso unreflektierten wie nachhaltigen Affekt erregen, welcher einer Wunde gleichkommt, die nur langsam heilt. Wie die Wunde der verletzenden Waffe entspricht, so der Affekt der verursachenden Gewalttat. -- Wieder: warum Gottheit? Jung kennt selbst als erwachsener und reifer Mensch die Zeit des 2. Weltkrieges sowie die Nazizeit und all der damit verbundenen Gräuel aus eigener Anschauung. Und er war zumindest eine kurze Zeitspanne selbst ein Verführter. Gerade er als Psychiater in seiner Kenntnis der möglichen Verwirrungen der menschlichen Seele müsste ungeachtet aller Betroffenheit durch die Geschichte von Hiob sich dessen bewusst sein, dass Hiob versucht, einem Gottesbild und nicht einer real existierenden Gottheit gerecht zu werden. Und dieses Gottesbild reflektiert sehr genau den für Hiob und seinesgleichen bestehenden Entwicklungszustand. Zugleich weist Hiob selbst in dieser Geschichte darüber hinaus und ermöglicht durch seine Haltung eine Weiterentwicklung sowohl dieses Gottesbildes als auch der dieses verehrenden Menschen, was letztlich im modernen Monotheismus heutiger Tage mündet. Ungeachtet dessen haben christliche Priester unseres Kulturkreises vor noch nicht allzu langer Zeit Waffen gesegnet und sind muslimische wie jüdische Fundamentalisten auch heute noch überzeugt, den jeweils anderen aus religiösen Gründen vernichten zu müssen. Das hat überhaupt nichts mit einer Entwicklung von Jahwe zu tun.--
Das Buch Hiob spielt nur die Rolle eines Paradigmas für die Art und Weise eines Gotteserlebnisses, das für unsere Zeit eine ganz besondere Bedeutung besitzt. Derartige Erfahrungen befallen den Menschen sowohl von innen wie von außen, und es hat keinen Zweck, sie rational umzudeuten und damit apotropaeisch (Anmerk,: magische Eigenschaft von Gesten, Dingen oder speziellen Zeichen zur Abwehr von Schaden) abzuschwächen. Man gibt sich besser den Affekt zu und unterwirft sich seiner Gewalt, als dass man sich seiner durch allerhand intellektuelle Operationen oder durch gefühlsmäßige Fluchtbewegungen entledigt. Obschon man durch den Affekt alle schlechten Eigenschaften der Gewalttat nachahmt und sich dadurch desselben Fehlers schuldig macht, so ist dies doch eben gerade der Zweck solchen Geschehens: es soll in den Menschen eindringen, und er soll dieser Wirkung unterliegen. Er muss daher affiziert sein, denn sonst hat die Wirkung ihn nicht erreicht. Er soll aber wissen oder vielmehr kennenlernen, was ihn affiziert hat, denn damit wandelt er die Blindheit der Gewalt einerseits und des Affektes andererseits in Erkenntnis. -- Dies klingt nach Erkenntnismöglichkeit ausschließlich auf Basis eines Gottesbildes und ist zu verneinen. Und ich rede nicht von rationalem Abwägen, sondern tatsächlich von Erkennen im Sinne von Wahrnehmen, das letztlich den ganzen Menschen verändert. Solches Erkennen ist nur möglich unter Hintanstellung aller Gottesbilder und ist doch eine zutiefst persönliche Erfahrung, die niemals Allgemeincharakter beanspruchen kann und schon gar kein Beweis für irgend einen Gott ist. Sie wurde aber von allen Menschen zu allen Zeiten mit der je eigenen Gottesvorstellung in Verbindung gebracht und ist darum in allen Religionen präsent.
Aus diesem Grunde werde ich im Folgenden ungescheut und rücksichtslos dem Affekte das Wort lassen und auf Ungerechtigkeit Ungerechtes antworten, damit ich verstehen lerne, warum oder wozu Hiob verwundet wurde, und welche Folgen aus diesem Geschehnis für Jahwe sowohl wie für den Menschen erwachsen sind. 

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