Auf Jahwes Rede antwortet
Hiob (XXXIX, 34):
Siehe, ich bin zu gering,
was soll ich dir antworten?
Ich lege die Hand auf
meinen Mund.
Einmal habe ich geredet
und wiederhole es nicht,
Zweimal, und tue es
nicht wieder.«
In der Tat, im
unmittelbaren Anblick unendlicher Schöpferkraft ist dies für einen
Zeugen, dem der Schreck beinahe völliger Vernichtung noch in allen
Gliedern liegt, die einzig mögliche Antwort. Wie könnte ein im
Staub kriechender, halbzertretener Menschenwurm unter den obwaltenden
Umständen überhaupt vernünftigerweise anders antworten? Trotz
seiner erbärmlichen Kleinheit und Schwäche weiß dieser Mensch,
dass er einem übermenschlichen Wesen, das persönlich äußerst
empfindlich ist, gegenübersteht und darum auf alle Fälle besser
daran tut, sich aller kritischen Überlegungen zu enthalten, nicht zu
sprechen von gewissen moralischen Ansprüchen, die man auch einem
Gotte gegenüber glaubt haben zu dürfen.--
Jung geht von der Erfahrung Hiobs mit einem ihm tatsächlich
gegenüberstehenden Gott aus. Tatsächlich spiegelt sich in dieser
Geschichte die Entwicklung des Monotheismus wieder. Natürlich
konnten die damaligen Gottesvorstellung noch nicht die heutige
Ausformung gehabt haben, da die Menschen noch nicht allzulange Zeit
vorher einen doch sehr anthropomorphen Polytheismus verlassen hatten.
Das bedeutet nichts anderes, als dass Gott alle Züge eines
übermächtigen Tyrannen hatte und damit sein Verhalten die damals
wohl vorherrschende Form des Umgangs von Fürsten mit einfachen
Untertanen war.--
Jahwes Gerechtigkeit wird
gepriesen. Vor ihn, als dem gerechten Richter, könnte Hiob seine
Klage und die Beteuerung seiner Unschuld wohl vorbringen. Aber er
zweifelt an dieser Möglichkeit: »Wie kann ein Mensch Recht haben
vor Gott?« »Wollte ich ihn vor Gericht ziehen, er stünde nicht
Rede. « »Gibt es das Recht; wer will ihn vorladen?« Ohne
Grund schlägt er ihm »viele Wunden«. »Schuldlose wie Unschuldige
vernichtet er! Wenn seine Geißel plötzlich tötet, so lacht er der
Verzweiflung der Unschuldigen.« »Ich weiß«, spricht Hiob zu
Jahwe, »dass du mich nicht ledig sprichst. Ich soll ja (nun einmal)
schuldig sein.« Wenn er sich schon reinigte, so würde Jahwe ihn »in
Unrat tauchen«. »Er ist nicht ein Mensch, wie ich, dass ich ihm
erwiderte, dass wir zusammen vor Gericht gingen.« Hiob will aber
seinen Standpunkt vor Jahwe erklären, seine Klage erheben und sagt
ihm, er wisse ja, dass er, Hiob, unschuldig sei, und dass ihn
»niemand aus seiner Hand errettete«. Es »gelüstet« ihn, »mit
Gott zu rechten«. Er will ihm »seine Wege ins Angesicht dartun«.
Er weiß, dass er »im Rechte“ ist. Jahwe sollte ihn vorladen und
ihm Rede stehen oder ihn wenigstens seine Klage vorbringen lassen. In
richtiger Einschätzung des Missverhältnisses zwischen Gott und
Mensch stellt er ihm die Frage: »Willst du ein verwehtes Blatt
erschrecken und einen dürren Halm verfolgen?« Gott hat sein »Recht
gebeugt«. Er hat ihm sein »Recht genommen«. Er »achtet nicht des
Unrechtes«. »Bis ich verscheide, beharre ich auf meiner Unschuld,
an meiner Gerechtigkeit halte ich fest und lasse sie nicht.« Sein
Freund Elihu glaubt nicht an die Ungerechtigkeit Jahwes: »Gott tut
nicht Unrecht und nicht verdreht der Allmächtige das Recht«, und
begründet diese Ansicht unlogischerweise mit dem Hinweise auf die
Macht: man wird zum König auch nicht sagen: »Du Nichtswürdiger«
und »Du Gottloser« zu den Edlen. Man müsse »die Person der
Fürsten ansehen« und »des Hohen mehr achten als des Niederen«.
Aber Hiob lässt sich nicht erschüttern und spricht ein bedeutendes
Wort: »Schon jetzt, siehe, lebt im Himmel mir ein Zeuge, mir ein
Mitwisser in der Höhe ...zu Gott blickt tränend auf mein Auge, dass
er Recht schaffe dem Manne gegen Gott«, und an anderer Stelle: »Ich
aber weiß: mein Anwalt lebt, und ein Vertreter ersteht (mir) über
dem Staube.« Aus den Worten Hiobs geht deutlich hervor, dass er,
trotz seinem Zweifel, ob ein Mensch vor Gott Recht haben könne, nur
schwer von dem Gedanken lasse; kann, auf dem Boden des Rechtes, und
damit der Moral, Gott gegenüberzutreten. Das Wissen, dass göttliche
Willkür das Recht beugt, fällt ihm nicht leicht, denn er kann trotz
allem seinen Glauben an die göttliche Gerechtigkeit nicht aufgeben.
-- Das Buch Hiob wirft in vergleichbarer
Form die Frage der Gerechtigkeit Gottes auf wie mehr als 2000 Jahre
später das Erdbeben von Lissabon. Die Annahme einer Gerechtigkeit
Gottes, der gute Taten belohnt und schlechte Taten bestraft ist eine
menschliche Vorstellung. Hinzu kommt die wohl übliche Erfahrung
jener Zeit, dass Herrscher absolute Herrscher waren und die
Interpretation des Rechts ausschließlich von der jeweiligen
Verfasstheit des Herrschers abhingen. -- Aber andererseits
muss er sich gestehen, dass niemand anders ihm Unrecht und Gewalt
antut, als eben Jahwe selber. Er kann nicht leugnen, dass er sich
einem Gotte gegenüber befindet, der sich um kein moralisches
Urteil kümmert, bzw. keine für sich verbindliche Ethik
anerkennt. Das ist wohl das Größte in Hiob, dass er angesichts
dieser Schwierigkeit nicht an der Einheit Gottes irre wird, sondern
klar sieht, dass Gott sich in Widerspruch mit sich selber befindet
und zwar dermaßen total, dass er, Hiob, gewiss ist, in
Gott einen Helfer und Anwalt gegen Gott zu finden. So gewiss ihm das
Böse, so gewiss ist ihm auch das Gute in Jahwe. In einem Menschen,
der uns Böses antut, können wir nicht zugleich den Helfer erwarten.
Jahwe aber ist kein Mensch; Er ist beides, Verfolger und Helfer in
Einem, wobei der eine Aspekt so wirklich ist wie der andere. Jahwe
ist nicht gespalten, sondern eine Antinomie, eine totale innere
Gegensätzlichkeit, die unerlässliche Voraussetzung seiner
ungeheueren Dynamik, seiner Allmacht und Allwissenheit. Aus dieser
Erkenntnis heraus hält Hiob daran fest, ihm »seine Wege darzutun«,
d. h. ihm seinen Standpunkt klar zu machen, denn ungeachtet seines
Zornes ist er sich selber gegenüber auch der Anwalt des Menschen,
der eine Klage vorzubringen hat.
-- In
vorangehenden Absatz spiegelt sich das Grundproblem aller großen
monotheistischen Religionen, die eine Allmacht ihres Gottes und
dessen Gerechtigkeit annehmen: Die Wirklichkeit der Erfahrung
widerspricht dem nicht nur im Fall Hiob sondern auch im Überleben
des Freudenhauses beim Beben von Lissabon bei gleichzeitiger
Zerstörung der Kathedrale und auch bei zahllosen viel weniger
dramatischen Ereignissen, die Menschen widerfahren. Der Autor (oder
die Autoren) des Buches Hiob mussten an der Beständigkeit von Hiobs
Glauben und der ihm letztlich widerfahrenen Gerechtigkeit festhalten,
da sie sich in der Anfangszeit ihres Monotheismus befanden, der einer
Umwelt mit beliebigen Göttern gegenüberstand, die wie die Menschen
beliebig gegeneinander kämpften und die Frage nach einer allgemeinen
Gerechtigkeit nie stellten. Alles unterlag nur der Beliebigkeit von
Interessen, etwas, das ja nach wie vor die gesamte Menschheit prägt,
völlig unabhängig von religiösen Bekenntnissen.
Das
eigentliche Problem dieser Widersprüchlichkeit sind die menschlichen
Vorstellungen. Die Menschen nehmen in Anspruch, etwas besonderes zu
sein bis dahin, außerhalb der Naturgesetze zu stehen. Naturgesetze
kennen weder gut noch schlecht. Sie sind so, wie sie sind. Alles was
wir Wohlergehen oder Katastrophe nennen, sind menschliche Kategorien
und Wertungen. Die zugrunde liegenden Ereignisse sind einfach so, wie
sie sind und waren auch schon so, bevor es Menschen gab. So schwer es
auch bei persönlicher Betroffenheit (auch mir) fällt, diese
Ereignisse einfach anzunehmen, sie sind nicht wegen mir oder eines
anderen so, wie sie sind. Ich bin nur zufällig da bei diesen
Ereignissen und darum ist Wohlergehen niemals ein Verdienst und
Leiden niemals eine Strafe. Der Buddhismus sagt, das alles
Festhalten-Wollen Leiden erzeugt und da ist, auch völlig ohne
Religion was dran. Den Vorstellungen und Bewertungen sind sehr oft
eine Form des Festhaltens, denn durchaus verständlicherweise wollen
Menschen nur, dass es ihnen wohl ergeht, da dies ja der angenehmere
Zustand ist. --
Man könnte über die
Gotteserkenntnis Hiobs noch mehr erstaunt sein, wenn man von der
Amoralität Jahwes hier zum ersten Male vernähme. Die
unberechenbaren Launen und verheerenden Zornanfälle Jahwes waren
aber seit alters bekannt. -- Weil Jahwe im
Buch Hiob, so wie alle Religionen der damaligen Zeit sehr genau die
Verfasstheit eben dieser Zeit widerspiegelt, d.h. Er kann gar nicht
anders sein als alle anderen Vorstellungen seiner Zeit. -- Er
erwies sich als eifersüchtiger Hüter der Moral; insbesondere war er
empfindlich in Bezug auf Gerechtigkeit. Er musste daher stets als
»gerecht« gepriesen werden, woran, wie es scheint, ihm nicht wenig
lag. Dank diesem Umstand, bzw. dieser Eigenart, hatte er distinkte
Persönlichkeit, die sich von der eines mehr oder weniger archaischen
Königs nur durch den Umfang unterschied. Sein eifersüchtiges und
empfindliches Wesen, das misstrauisch die treulosen Herzen der
Menschen und ihre heimlichen Gedanken durchforschte, erzwang ein
persönliches Verhältnis zwischen ihm und dem Menschen, der nicht
anders konnte, als sich persönlich von ihm angerufen zu fühlen. Das
unterschied Jahwe wesentlich vom allwaltenden Vater Zeus, der
wohlwollend und etwas detachiert die Ökonomie der Welt auf
altgeheiligten Bahnen abrollen ließ und nur das Unordentliche
bestrafte. Er moralisierte nicht, sondern waltete instinkthaft. Von
den Menschen wollte er nichts, als die ihm gebührenden Opfer; mit
ihnen wollte er schon gar nichts, denn er hatte keine Pläne mit
ihnen. Vater Zeus ist zwar eine Gestalt, aber keine Persönlichkeit.
Jahwe dagegen lag es an den Menschen. Sie waren ihm sogar ein
Anliegen erster Ordnung. Er brauchte sie, wie sie ihn brauchten,
dringlich und persönlich. Zeus konnte zwar auch Donnerkeile
schmettern, aber nur auf einzelne unordentliche Frevler. Gegen die
Menschheit im Ganzen hatte er nichts einzuwenden. Sie interessierte
ihn auch nicht besonders. Jahwe dagegen konnte sich maßlos über die
Menschen als Genus und als Individuum aufregen, wenn sie sich nicht
so benahmen, wie er wünschte und erwartete, ohne sich dabei
allerdings je Rechenschaft darüber zu geben, dass es ja in seiner
Allmacht gelegen hätte, etwas besseres zu erschaffen, als diese
»irden schlechten Töpfe«.
Bei dieser intensiven
persönlichen Bezogenheit auf sein Volk konnte es nicht ausbleiben,
dass sich daraus ein eigentlicher Bund entwickelte, der sich auch auf
einzelne Personen bezog, so z. B. auf David. Wie der 89ste Psalm
berichtet, sagte Jahwe zu David:
»....Meine Treue will
ich nicht brechen. Ich will meinen Bund nicht entweihen, Und was
meine Lippen gesprochen, nicht ändern. Das eine habe ich bei meiner
Heiligkeit geschworen - Nie werde ich David belügen......«
Und dann ist es doch
geschehen, dass er, der so eifersüchtig über Gesetzes- und
Vertragserfüllung wachte, seinen Schwur brach. Dem empfindsamen
modernen Menschen wäre der schwarze Abgrund der Welt aufgerissen,
der Boden wäre unter seinen Füßen gewichen, denn das, was er von
seinem Gott zumindest erwarten würde, wäre, dass er dem Sterblichen
in jeglicher Hinsicht überlegen sei, und zwar im Sinne des Besseren,
Höheren, Edleren, aber nicht in der Hinsicht moralischer
Beweglichkeit und Unzuverlässigkeit, die selbst einen Meineid in
Kauf nimmt.
Man darf natürlich einen
archaischen Gott nicht mit den Bedürfnissen moderner Ethik
konfrontieren. -- Man darf die archaische
Vorstellungswelt von Jahwe nicht mit der Vorstellungswelt moderner
Ethik konfrontieren. Auch wenn Jung in einem Interview sagte, es
wisse, das es Gott gibt, so ist es doch so, dass er nur weiß, dass
es sein Bild von Gott gibt. -- Für den Menschen des
frühen Altertums lag die Sache etwas anders: an seinen Göttern
blühte und strotzte schlechthin alles, Tugenden und Laster. Man
konnte sie daher auch bestrafen, anbinden, betrügen, sie aufeinander
hetzen, ohne dass sie an Prestige einbüßten - wenigstens nicht auf
lange Sicht hinaus. Der Mensch jener Aeone war an die göttlichen
Inkonsequenzen so gewöhnt, dass, wenn sie passierten, sie ihn nicht
über Gebühr erschütterten. Bei Jahwe lag der Fall allerdings
insofern etwas anders, als in der religiösen Beziehung schon sehr
früh der Faktor der persönlich-moralischen Bindung eine bedeutende
Rolle spielte. Unter diesen Umständen musste ein Vertragsbruch nicht
nur persönlich, sondern auch moralisch verletzend wirken. Ersteres
ersieht man aus der Art und Weise, wie David antwortet. Er sagt (89,
47):
»Wie lange, o Herr,
willst du dich noch verbergen,
Deinen Grimm lodern
lassen wie Feuer?
Bedenke, o Herr: Was ist
doch das Leben!
Wie nichtig alle
Menschenkinder, die du geschaffen!
-
Wo sind deine früheren
Gnadenbeweise, o Herr,
Wie du sie David
geschworen bei deiner Treue?«
Wäre dies zu einem
Menschen gesprochen, so würde es etwa lauten: »So nimm dich doch
endlich zusammen, und höre auf mit deiner sinnlosen Wüterei. Es ist
doch wirklich zu grotesk, wenn jemand wie du über die Pflänzchen,
die nicht ohne deine Schuld nicht recht gedeihen wollen, sich in
solchem Maße aufregt. Du konntest doch früher auch vernünftig sein
und das Gärtlein, das du gepflanzt, richtig besorgen, statt es zu
zertrampeln.«
Der
Interlocutor kann es allerdings nicht wagen, mit dem allmächtigen
Partner wegen des Vertragsbruches zu rechten. Er weiß, was er zu
hören bekäme, wenn er der bedauernswerte Rechtsbrecher wäre. Er
muss sich, weil es sonst lebensgefährlich für ihn würde, auf das
höhere Niveau der Vernunft zurückziehen und erweist sich damit,
ohne es zu wissen und zu wollen, als dem göttlichen Partner in
intellektueller sowohl als moralischer Hinsicht leise überlegen.
Jahwe merkt es nicht, dass er »behandelt« wird, so wenig wie er
versteht, warum er anhaltend als gerecht gepriesen werden muss. Er
hat einen dringlichen Anspruch an sein Volk, in allen möglichen
Formen "gepriesen"(oder gar "gesegnet" zu werden, was erst recht verfänglich ist) und
propitiiert zu werden, mit dem offensichtlichen Zweck, ihn um jeden
Preis bei Laune zu erhalten.
Der hieraus sichtbar
werdende Charakter passt zu einer Persönlichkeit, die nur vermöge
eines Objektes sich ein Gefühl eigener Existenz verschaffen kann.
Die Abhängigkeit vom Objekt ist absolut, wenn das Subjekt keinerlei
Selbst-Reflexion und damit auch keine Einsicht in sich selbst
besitzt. Es hat den Anschein, als ob es nur vermöge des Umstandes
existiere, dass es ein Objekt hat, welches dem Subjekt versichert, es
sei vorhanden. Wenn Jahwe, wie man wenigstens von einem einsichtigen
Menschen erwarten dürfte, wirklich seiner selbst bewusst wäre, so
hätte er, in Anbetracht der wirklichen Sachlage, den Lobpreisungen
seiner Gerechtigkeit wenigstens Einhalt tun müssen. Er ist aber zu
unbewusst, um »moralisch« zu sein. Moralität setzt Bewusstsein
voraus. Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, dass Jahwe
etwa unvollkommen oder böse sei wie ein gnostischer Demiurg. Er ist
jede Eigenschaft in ihrer Totalität, also u. a. die Gerechtigkeit
schlechthin, aber auch das Gegenteil, und dies ebenso vollständig.
So wenigstens muss er gedacht werden, wenn man sich ein einheitliches
Bild seines Wesens machen will. -- Hier
verwendet Jung zum ersten Mal den Ausdruck des Bildes von Jahwe. Ich
habe den Eindruck, dass er bezueglich Jahwe in einem Ausmaß
anthropomorphisiert, das sein sonstiges Bilder-Denken noch weit
übersteigt. Aber offenbar bewertete Jung (wie Freud auch) von einer
sehr elitären Position aus die Welt und ihre Vorgänge. -- Wir
müssen uns dabei nur bewusst bleiben, dass wir damit nicht mehr als
ein anthropomorphes Bild entworfen haben, welches nicht einmal
besonders anschaulich ist. Die Äußerungsweise des göttlichen
Wesens lässt erkennen, dass die einzelnen Eigenschaften ungenügend
aufeinander bezogen sind, so dass sie ineinander widersprechende Akte
zerfallen. So z. B. reut es Jahwe, Menschen gemacht zu haben, wo doch
seine Allwissenheit von Anfang an genau im Bilde darüber war, was
mit solchen Menschen geschehen wird.
Hier
an dieser Stelle ist mir natürlich klar, das Jung diesen Jahwe für
wirklich hält und natürlich ist er für ihn wirklich, weil diese
Wirklichkeit von ihm so erfahren wird. Dies ist darum auch so stehen
zu lassen. Doch für mich gibt es eine andere Erfahrung von
Wirklichkeit, von der ich nur weiß, dass sie sehr viele
Randbedingungen hat, die ich nicht verändern kann. Ich nehme diese
Randbedingungen an, so wie dies ganz offenbar auch Jung getan hat.
Ich weiß nur, dass dies eine mir zugekommene Wirklichkeit ist und
dass die anderer Menschen anders ist. Ich bin nur nicht bereit, den
Anspruch, den Jung auch bei vielen anderen Gelegenheiten gestellt hat
zu akzeptieren, nämlich dass dies alles wahr ist im allgemeinen
Sinne und dass er der Garant dafür sei. Auch wenn es viele Menschen
gegeben hat, die diesen Anspruch akzeptierten, so tue ich dies nicht.
Dies alles ist ausschließlich seine Wahrheit, völlig ungeachtet der
Tatsache, dass er natürlich außerordentlich intelligent und auch
außerordentlich belesen war. Er hat nur meines Erachtens einen ganz
wesentlichen Aspekt des Wissens nie realisieren können, nämlich das
jede Zunahme an Wissen auch gleichbedeutend ist mit einer ungleich
größeren Zunahme auch des Wissens um die Lücken in diesem Wissen
und der Unmöglichkeit, diese schließen zu können. Vielleicht ist
das die in allen Religionen vorkommende Verblendung: Ein
rationalisiertes Gebäude von Wirklichkeit, das einzig nur dazu
dient, der für die Ratio bedrückenden Ohnmacht des Nichtwissens zu
entkommen. Es gibt natürlich auch die andere Möglichkeit, die
eigene Begrenztheit anzunehmen und ganz schlichtweg bescheiden zu
werden. Das ist aber überhaupt nichts besonderes und führt auch
nicht zu Ruhm und Ansehen.
Eigentlich
müsste ich an dieser Stelle meine Kommentare aufhören. Ich meine
aber, dass es diese Schrift verdient, sich weiter mit ihr
auseinanderzusetzen.